14. August 2016

TUGEND DER MEISTER, SAI BABA


Das Ertragen-können

Führt ein wahrhaftiges und einfaches Leben!
Seid gütig zu allen Menschen und hilfsbereit!
Gebt von dem, was ihr habt, und ihr werdet 
reichlich erhalten! 

Ich bin SAI BABA

Vorschau

Geliebte Kinder,

kommt in meine Nähe, ihr werdet wachsen und 
werden, bis sich die größte aller Erkenntnisse einstellt: 
das Wissen um eure wahre Herkunft und das Bewusstsein 
um euer Licht. Bis dahin befindet ihr euch am Weg und ihr 
wählt unterschiedliche Pfade zur Erleuchtung. Heute lenke 
ich deine Aufmerksamkeit auf eine Tugend, die unreifen 
Menschen zuwider und Meistern zu eigen ist: 
die Tugend des Ertragen-könnens.

Arbeit mit inneren Bildern

Beginnt euch auf die Umstände eures Lebens zu 
fokussieren. Betrachtet jenen Teil eures Lebens, der 
mit sehr viel Mühe und Anstrengungen verbunden ist. 
Achtet darauf, was für Emotionen in euch hochkommen, 
so ihr mit bestimmten Situationen konfrontiert werdet, 
und beginnt damit, euch mit allem zu versöhnen. Nehmt 
alle Umstände in Liebe und in Frieden an. Geht dafür in 
eine Meditation, lasst die inneren Bilder hochsteigen und 
entlasst sie mit Frieden in eurem Herzen in das Licht. 
Die Arbeit mit inneren Bildern ist heute von unschätzbarem 
Wert und unerlässlich. Eine Arbeit, die euch in die Position 
des Ko-Kreators bringt, indem ihr in euren Gedanken 
und Emotionen dem, was ihr wünscht, Form verleiht.
Ein Hindernis am Weg zum Manifestieren ist oft das Hadern 
mit unerwünschten Lebensumständen. Wer zu lange über 
unerwünschte Umstände klagt, anstatt sie abzuändern oder
in Liebe anzunehmen, der richtet seine Aufmerksamkeit auf 
einen Mangel und lenkt seinen Geist von der Fülle weg. 
Jeder Umstand hat eine bestimmte Ursache  und nicht immer 
ist es möglich, Unangenehmem auszuweichen oder 
Unerwünschtes zu entfernen. Eine genaue Bestandsaufnahme 
aller Ereignisse, die in euer Leben treten, ist heute essenziell.

Eingreifen oder Zeuge bleiben?

Auf welche Weise dienen euch Situationen? 
Gilt es bestimmte Umstände aktiv zu wandeln oder 
sollt ihr diese bewusst ertragen? Wer diese Fragen 
beantworten kann, verfügt über Weisheit und 
ist in der Meisterschaft weit fortgeschritten. 

Weder Übermut noch Unmut schlagen Wurzeln in 
einem Menschen, der den tiefen Sinn erwünschter 
oder unerwünschter Ereignisse erfasst hat. Ein solcher 
Mensch erträgt die Lasten leicht und in tiefem 
Gottvertrauen lässt er den Schöpfer walten. (1)

Bleibt gelassen und nehmt das Leben mit allen Umständen an.
Greift ein, wo ihr euch aufgerufen seht, oder bleibt Zeugen, 
wo die Umstände einen tiefen Sinne erfüllen. Schmerzen oder 
Leid berühren einen Meister nicht. Wer ertragen kann, der ist 
wahrhaftig ein Meister seines Lebens im Himmel und auf Erden.
Schließe Frieden mit allem, was in dir Unruhe und Unfrieden stiftet. 

Trage keine fremden Lasten, aber ertrage sie, so sie 
dir von Gott auferlegt werden. Nächstenliebe heißt, den 
Bedürftigen ihre Last zu erleichtern und nicht den Faulen 
ihre Arbeit abzunehmen. 

Ein wahrer Meister unterscheidet klar und ist von niemandem 
hinter das Licht zu führen. Ein wahrer Meister weiß, wann er 
was und warum erträgt, und er kennt seine eigene Bestimmung 
sowie die Beweggründe eines Menschen. Ein wahrer Meister 
nimmt alles an und weiß, dass er nicht nur für sich selbst auf 
diese Welt herabgestiegen ist. Einen wahren Meister schmücken 
Liebe, Beständigkeit und das Licht, das unentwegt aus seinem 
Herzen strömt.

Wirf ab, was nicht zu dir gehört und ertrage, 
was dich vor Gott veredelt.

Ich bin bei dir 

SAI BABA

(1) Es gab einmal in einem Dorf einen alten Mann, der sehr 
arm war, aber trotzdem von Königen beneidet wurde – denn 
er besaß ein schönes weißes Pferd. Ein Pferd von solcher Qualität 
war noch nie gesehen worden – solche Schönheit, solcher Stolz, 
solche Stärke! Könige bewarben sich um das Pferd und boten 
fabelhafte Preise, aber der alte Mann kannte nur eine Antwort:
„Dieses Pferd ist für mich kein Pferd, sondern ein Mensch, und 
wie kann man einen Menschen verkaufen? Nein, das kommt 
nicht in Frage.“ Der Mann war arm und hatte allen Grund, 
der Versuchung zu erliegen, aber er verkaufte das Pferd nie.
Eines Morgens entdeckte er plötzlich, dass das Pferd nicht 
mehr im Stall war. Das ganze Dorf versammelte sich und 
alle sagten: „Das hast du davon, alter Narr! Wir haben es 
vorher gewusst, eines Tages musste das Pferd ja gestohlen 
werden! Und wie kannst du bei deiner Armut einen solchen 
Schatz richtig behüten? Du hättest wirklich besser daran
getan, das Pferd zu verkaufen. Du hättest astronomische 
Summen dafür verlangen können, jeden Fantasiepreis. 
Jetzt ist das Pferd weg. Jetzt siehst du, was für ein Fluch, 
was für ein Unglück es für dich war.“

Der alte Mann sagte: „Ihr müsst nicht übertreiben! 
Sagen wir einfach, das Pferd ist nicht im Stall. Das ist 
die einzige Tatsache; alles andere ist Interpretation. 
Ob es nun ein Unglück ist oder nicht, wie wollt ihr das 
wissen? Wie könnt ihr das beurteilen?“ Die Leute sagten: 
„Uns kannst du nichts vormachen; wir mögen zwar keine 
großen Philosophen sein, aber hier braucht man auch 
keine Philosophie. Es ist eine klare Tatsache, dass ein 
Schatz verloren gegangen ist, und das ist ein Unglück.“
Der alte Mann erwiderte: „Ich bleibe dabei: Die einzige 
Tatsache ist, dass der Stall leer und das Pferd fort ist. 
Darüber hinaus weiß ich nichts, ob Unglück oder Segen – 
denn so ein Urteil ist begrenzt; und niemand weiß, was noch 
kommt.“ Er wurde ausgelacht. Die Leute hielten den alten 
Mann für verrückt. Sie hatten es schon immer gewusst, 
dass er nicht ganz richtig im Kopf war; sonst hätte er ja sein 
Pferd verkauft und in Saus und Braus gelebt… Stattdessen 
fristete er sein Leben als Holzfäller. Obwohl er sehr alt war, 
fällte er noch immer Bäume, brachte das Holz aus dem Wald 
und verkaufte es. Er lebte von der Hand in den Mund, hatte 
nur das Nötigste und nie wirklich genug. Aber jetzt war ihnen 
endgültig klar, dass er verrückt war.

Nach vierzehn Tagen kam plötzlich eines Nachts das Pferd zurück. 
Es war nicht gestohlen worden, es war nur in die Wildnis gelaufen. 
Und es kam nicht nur zurück, sondern brachte auch noch zwölf
andere Wildpferde mit. Und wieder kamen die Leute zusammen 
und sagten: „Alter, du hast recht gehabt; wir haben uns geirrt. 
Es war kein Unglück, sondern ein Segen. Es tut uns leid, dass 
wir dir Vorwürfe gemacht haben.“ Und der alten Mann sagte: 
„Ihr geht schon wieder zu weit. Könnt ihr nicht einfach sagen, 
dass das Pferd zurück ist und dass es zwölf andere Pferde 
mitgebracht hat? Warum urteilt ihr? Wer will den wissen, 
ob es ein Segen ist oder nicht? Es ist nur ein Bruchstück 
und wenn man den ganzen Zusammenhang nicht kennt, 
wie kann man dann urteilen? Wie könnt ihr über ein Buch 
urteilen, wenn ihr nur eine Seite gelesen habt? Wie könnt 
ihr über eine ganze Sache urteilen, wenn ihr nur einen Satz 
davon gelesen habt? Wie könnt ihr über den Satz urteilen, 
wenn ihr nur ein Wort davon gelesen habt? Und was ihr in 
der Hand haltet, ist weniger als ein Wort – das Leben ist so 
unendlich. Ihr habt nur das Bruchstück eines Wortes in der 
Hand und habt über die ganze Welt geurteilt. Sagt also nicht, 
dass dies ein Segen ist, denn wer weiß… Und ich bin völlig 
damit zufrieden, dass ich es nicht weiß. Lasst mich also bitte 
in Ruhe.“ Diesmal hielten die Leute den Mund. Vielleicht hatte 
der alte Mann ja wieder recht. Also sagten sie nichts, aber im 
Stillen wussten sie natürlich, dass er sich irrte. Zwölf herrliche 
Pferde waren mit dem einen Pferd zurückgekommen!
Wenn sie ein bisschen eingeritten wurden, konnten sie 
bald alle verkauft werden und massenhaft Geld einbringen.

Der alte Mann hatte einen jüngeren Sohn – es war sein einziger. 
Dieser Sohn begann nun, die Wildpferde zu zähmen; eine Woche
 später stürzte er von einem der Pferde und brach sich beide Beine. 
Wieder kamen die Leute zusammen… Sie sagten: „Du hattest recht. 
Was du geahnt hast, hat sich wieder einmal bestätigt. Es war kein 
Segen, es war doch ein Unglück. Dein einziger Sohn hat seine Beine 
verloren! Wer soll jetzt die Stütze deiner alten Tage sein? 
Jetzt bist du ärmer dann je.“ 
Der alte Mann sagte: „Könnt ihr denn nicht ein Mal aufhören 
mit euren Urteilen? Ihr geht schon wieder zu weit – sagt einfach, 
dass mein Sohn seine Beine gebrochen hat. Keiner weiß, ob das 
nun ein Unglück oder ein Glück ist, keiner. Es ist wieder nur ein 
Bruchstück und wir bekommen nie mehr als Bruchstücke zu sehen. 
Das Leben zeigt sich uns nur in Fragmenten, aber unsere Urteile 
fällen wir immer über das Ganze.“ Ein paar Wochen später geschah 
es, dass ein Krieg mit dem Nachbarland ausbrach und alle jungen 
Männer wurden zur Armee eingezogen. Nur der Sohn des alten
Mannes blieb zurück, weil er ein Krüppel war. Die Leute kamen 
zusammen, weinend und klagend, denn aus jedem Hause 
wurden die jungen Männer mit Gewalt abgeholt.
Und es bestand keine Aussicht, dass sie je wiederkämen, 
denn das Land, mit dem Krieg geführt wurde, war ein sehr 
großes Land, und die Schlacht war von vornherein verloren.

Also würden sie nicht zurückkommen… Das ganze Dorf weinte 
und klagte, und sie kamen zu dem alten Mann und sagten: 
„Wie recht du hattest, Alter! Weiß Gott, wie recht du hattest –
es war ein Segen. Dein Sohn mag zwar ein Krüppel sein, aber 
wenigstens bleibt er bei dir. Unsere Söhne werden wir nie 
wiedersehen. Er wenigstens lebt und ist bei dir, und nach 
und nach wird er schon wieder das Laufen lernen.
Vielleicht wird er noch ein bisschen humpeln, aber er 
wird wieder in Ordnung kommen.“

Der alte Mann wehrte ab: „Es ist einfach unmöglich, mit 
euch Leuten zu reden. Ihr könnt es einfach nicht sein lassen – 
ewig diese Urteile. Niemand weiß etwas! Sagt doch nur, dass 
eure Söhne in die Armee geholt worden sind und mein Sohn 
nicht. Aber ob es nun ein Segen ist oder ein Unglück, das 
weiß niemand. Kein Mensch wird das je wissen. 
Nur Gott weiß es.“
S. 9 ff (eBook); Osho, der Sufi Weg, S. 48 ff


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