15. Dezember 2015

Willy Wimmer: »Das dürfte an die Existenz der CDU gehen«


Redaktion KOPP online

Willy Wimmer ist den Lesern dieser Webseite bestens 
bekannt. Der CDU-Politiker gehörte 33 Jahre lang dem 
Deutschen Bundestag an. Von 1985 bis 1992 war er 
zunächst verteidigungspolitischer Sprecher der CDU/CSU
und anschließend Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium. Willy Wimmer publiziert seine 
kritischen und klar geschriebenen Beiträge 
auch für die Leser von KOPP online.   

Herr Wimmer, der Bundestag hat am Freitag grünes Licht 
für die Beteiligung der Bundeswehr am Krieg gegen den IS 
in Syrien gegeben. Das Volk will dies laut mehreren Umfragen
jedoch mehrheitlich nicht. Wie stark beschädigt ist unsere repräsentative Demokratie?

Willy Wimmer: Das Volk und die eigene Verfassung scheinen 
seit dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien nicht 
zu interessieren. Die Charta der Vereinten Nationen auch nicht, 
wie der regelmäßige Verstoß gegen das Völkerrecht zeigt. 
Frankreich, an dessen Seite wir in Syrien eingreifen, hat seit 
mehr als vier Jahren aktiv diesen Bürgerkrieg in Syrien angeheizt, 
wie man seit langer Zeit den internationalen Medien entnehmen 
kann.

Zusammen mit den USA, Großbritannien, Stiftungen aus Saudi-Arabien
und Katar ist dies durch Spezialkräfte geschehen. Wir greifen also an 
der Seite eines verbündeten Staates ein, der selbst als Aggressor 
in Syrien auftritt. Wir haben offensichtlich die Lehren aus den
Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen vergessen und verlangen 
von unseren Piloten Handlungen, die sie vor den Internationalen Strafgerichtshof nach Den Haag bringen können. 

Sie gehörten 33 Jahre lang dem deutschen Parlament an. 
Wie stark wird der Bundestag derzeit von der Exekutive, 
also im Wesentlichen von der Kanzlerin, ausgebremst? 
Ist das Parlament zahnlos geworden?

Willy Wimmer: Mit dem Umzug 1999 von Bonn nach Berlin und 
dem so genannten »schlanken Staat« sind Parlament und Ministerien 
geradezu degeneriert. Ohne US-Anwaltskanzleien kommt fast kein 
bedeutender Gesetzentwurf zustande.

Musterbeispiel sind die gigantischen Gesetzgebungsvorhaben 
nach Lehman Brothers und der Finanzkrise und das auf Englisch, 
das niemand in Berlin versteht. Selbst im Indien der Kolonialzeit 
gab es so etwas nicht. Der Bürger wird nur noch als Steuerzahler 
und Konsument wahrgenommen. Staatsbürger und  »mehr 
Demokratie wagen« aus der Zeit von Willy Brandt sind vorbei. 
Es ist ein Abgesang der parlamentarischen Demokratie und 
der Parlamentspräsident schweigt dröhnend dazu. 

Seit unserem letzten Interview kamen zum Flüchtlingsstrom 
noch die Terroranschläge des IS in Paris und Mali hinzu, 
auch offenbar ein vereitelter Anschlag in Hannover. 
Es gibt Hinweise, dass Deutschland und Großbritannien 
ebenfalls Ziele des IS sind. Wie real ist diese Gefahr 
Ihrer Einschätzung nach?

Willy Wimmer: Es kommt nicht auf meine Einschätzung an, 
obwohl ich dazu eine Meinung habe. Die Sicherheitsbehörden 
schlagen doch Alarm und der gesunde Menschenverstand sagt
uns, dass wir ins unbeherrschbare Chaos laufen. 
Bei Hunderttausenden, die sich in unser Land geschlichen haben, 
muss niemand etwas vermuten. Nach den heutigen Entwicklungen 
kann man gewiss sein, das sagen uns der Verstand und die 
Erfahrung. 

Sie haben kritisiert, dass die Bundeskanzlerin die 
verfassungsmäßigen Vorkehrungen, die es bei uns 
gibt, systematisch außer Kraft setzt. Geändert hat 
sich daran nichts. Angela Merkel hält unbeirrt Kurs. 
Was sagt das über unser politisches System?

Willy Wimmer: Das Urteil fällt verheerend aus und es wird in 
einer Systemkrise und tiefer Agonie oder der Aufgabe unseres Staatsverständnisses enden. Wir bemühen uns, im Gegensatz 
zu all unseren Nachbarn, in dem EU-Europa aufzugehen, und 
landen damit in den Fängen von TTIP und damit der Aufgabe 
unseres politischen Systems.

Wie wenig das die Regierung und die deutsche Öffentlichkeit 
derzeit schert, das haben wir bei der verhängnisvollen Entscheidung 
zur Beteiligung am derzeitigen Regionalkrieg in Syrien gesehen. Es 
gibt kein UN-Mandat für die deutsche Beteiligung an diesem Krieg. 
Damit gibt es keine Legitimation für uns. Damit untergraben wir 
das Gewaltmonopol der Vereinten Nationen und beteiligen uns 
an der amerikanischen Zerschlagung der einzigen Organisation, 
die dem Weltfrieden als Konsequenz aus den Weltkriegen dient.

Ohne Mandat der UN sind wir in den NATO-Geburtstagskrieg 
gegen Jugoslawien gegangen. 2014 hat der damalige Bundeskanzler 
Gerhard Schröder freimütig die Verletzung des Völkerrechts durch 
ihn selbst gestanden. Konsequenz heute durch Frau Dr. Merkel:
keine. Wir fördern nicht das Völkerrecht, sondern das Faustrecht 
des vermeintlich Stärkeren. 

Was sagt dieser Befund über den Zustand der CDU 
als führende Partei in der Großen Koalition aus?

Willy Wimmer: Alle Parteien, auch die CDU, haben sich verändert 
und sind zu weitgehend leeren Hüllen verkommen. Sie achten nicht
auf das, was die Staatsbürger sagen, weil sie ihnen nicht zuhören. 
Man ist in die eigene Karriere verliebt. In der CDU regiert seit 
Jahren der »demokratische Zentralismus« und es wird von
oben nach unten »durchbestimmt«. 

Die CDU wird von den Wählern laut einer neuen Umfrage 
erstmals links der politischen Mitte verortet. Die Kanzlerin
regiert mit grünen Positionen wie bei der Energiewende 
oder in der Flüchtlingspolitik. Was verheißt das für die 
Zukunft der CDU, wenn Millionen konservative Wähler 
rechts heimatlos werden?

Willy Wimmer: Das werden die kommenden Wahlen deutlich 
zeigen. Wenn die CDU sich so ignorant gegenüber den deutschen 
Bürgern verhält, wie es die politische Klasse in Frankreich geschafft 
hat, dann blüht uns was. Es gibt auf keiner Ebene der CDU mehr 
eine ernsthafte Auseinandersetzung über die Zukunft des Landes.
Die Frau Bundeskanzlerin verhält sich auch als Parteivorsitzende
wie eine »Bundes-Zarin«. Warum soll das gut gehen? 

In drei Monaten findet die Landtagswahl in Baden-Württemberg 
statt. Wenn vorher ein Wechsel im Kanzleramt gelingen soll, 
dann wird die Zeit jetzt ziemlich knapp. Es ist aber sehr ruhig, 
wir hören nichts. Selbst aus München kommen aktuell 
weniger kritische Töne?

Willy Wimmer: Wenn man genau hinhört, dann ist gewaltig 
Druck im Kessel. Die CDU hat zwei Chancen: Entweder sie zieht 
die Reißleine in diesem Jahr und Frau Dr. Merkel tritt zurück, 
oder sie verfällt in Agonie und zieht das Land mit. 

Was erwarten Sie beim CDU-Parteitag, der am kommenden 
Sonntag in Karlsruhe beginnt? Gibt es eine Rebellion gegen 
Angela Merkel? Kommen wenigstens neue Weichenstellungen
in der Flüchtlingspolitik?

Willy Wimmer: Das Land hält den Spagat zwischen der Haltung 
der Bundeskanzlerin und den Bemühungen anderer, das Land 
nicht untergehen zu lassen, nicht aus. Offensichtlich herrschen
in den Führungsstrukturen der CDU autistische Anwandlungen.
Dafür wird man einen Preis bezahlen müssen und das dürfte an 
die Existenz der CDU gehen. Wir haben nur 15 Jahre vom 
»Ehrenbürger Europa« zur  heutigen Entwicklung benötigt, 
bei der Europa und unser Land auf der Strecke bleiben, 
weil die CDU an den Aufgaben scheitert. 

Wir hören in der Redaktion, dass sich die Kommunen 
(zumindest in Baden-Württemberg) darauf einstellen 
sollen, Flüchtlinge und Wirtschaftsmigranten im Umfang
von zehn Prozent der jeweils lokalen Bevölkerung 
aufzunehmen. Stimmt das nach Ihren Informationen?

Willy Wimmer: Ob es zehn oder 20 Prozent sein werden, 
kann niemand sagen, weil man es durchgehen lässt, dass 
die Bundeskanzlerin nicht ihre Politik erklärt und im »Volkskammer-
Stil« das Parlament auskurvt. Dr. Peter Gauweiler hat auf diese 
verheerende Konsequenz den Bundestagspräsidenten öffentlich 
hingewiesen. Frau Dr. Merkel ist für ihre Politik in der Migrationsfrage 
nicht legitimiert. Wo sind eigentlich der Generalbundesanwalt, 
der Bundespräsident und das Bundesverfassungsgericht? 

Wie gefährlich ist die Situation in Syrien und dem Irak, 
nachdem Herr Erdoğan in der Türkei seine gezielten 
Provokationen gegen Russland nicht einstellen will?

Willy Wimmer: Wir haben die Wahl zwischen Weltkrieg und Erfolg 
der russischen Politik und einer Verhandlungslösung. Wenn Russland 
auf der Seite der legitimen Regierung nicht interveniert haben würde, 
wären zwangsläufig durch die vorgenannten Fördermächte des IS 
Syrien und wohl auch weite Teile des Irak dem Erdboden gleich 
gemacht worden – und als Staat ausgelöscht. An dieser Neuordnung 
arbeiten im Nahen Osten viele, wie amerikanische und israelische Sandkastenspiele mit den Grenzen zeigen. 

Türkische Truppen marschieren im Nordirak ein, der Sohn 
von Erdoğan handelt mit dem Öl des Islamischen Staates. 
Und jetzt kommen Forderungen wie von Günther Oettinger, 
die Türkei solle der EU beitreten. Wie ist das zu bewerten?

Willy Wimmer: Herr Oettinger ist doch der, der statt der 
deutschen Sprache Englisch in Deutschland für alle als Sprache 
einführen wollte? Die Verhandlungen mit dem Staat, der seit 
Jahrzehnten seine Bevölkerungsprobleme auf dem Rücken 
Deutschlands zu lösen versucht, sind Ausdruck der in Berlin 
und Brüssel herrschenden Hilf- und Konzeptionslosigkeit.

Die Kurden sind durch die Türkei schon aus ihrer Heimat 
nach Izmir, Stuttgart und Köln verdrängt worden. 
Herr Oettinger und diejenigen, die die Türkei jetzt unter 
erpresserischen Umständen in die EU holen wollen, spielen
bei klarem Verstand mit dem Feuer und dem Krieg in 
Europa und damit Deutschland. 

Vielen Dank, Herr Wimmer.
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Quelle: http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/deutschland/
redaktion/willy-wimmer-das-duerfte-an-die-existenz-der-
cdu-gehen-.html 

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