Redaktion KOPP online
Willy Wimmer ist den Lesern dieser
Webseite bestens
bekannt. Der CDU-Politiker gehörte 33 Jahre lang dem
Deutschen
Bundestag an. Von 1985 bis 1992 war er
zunächst verteidigungspolitischer Sprecher
der CDU/CSU
und anschließend Parlamentarischer Staatssekretär im
Verteidigungsministerium. Willy Wimmer publiziert seine
kritischen und klar
geschriebenen Beiträge
auch für die Leser von KOPP online.
Herr Wimmer, der Bundestag hat am
Freitag grünes Licht
für die Beteiligung der Bundeswehr am Krieg gegen den IS
in
Syrien gegeben. Das Volk will dies laut mehreren Umfragen
jedoch
mehrheitlich nicht. Wie stark beschädigt ist unsere repräsentative Demokratie?
Willy Wimmer: Das Volk und die eigene Verfassung
scheinen
seit dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien nicht
zu
interessieren. Die Charta der Vereinten Nationen auch nicht,
wie der
regelmäßige Verstoß gegen das Völkerrecht zeigt.
Frankreich, an dessen Seite
wir in Syrien eingreifen, hat seit
mehr als vier Jahren aktiv diesen
Bürgerkrieg in Syrien angeheizt,
wie man seit langer Zeit den internationalen
Medien entnehmen
kann.
Zusammen mit den USA,
Großbritannien, Stiftungen aus Saudi-Arabien
und Katar ist dies durch
Spezialkräfte geschehen. Wir greifen also an
der Seite eines verbündeten
Staates ein, der selbst als Aggressor
in Syrien auftritt. Wir haben
offensichtlich die Lehren aus den
Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen
vergessen und verlangen
von unseren Piloten Handlungen, die sie vor den Internationalen
Strafgerichtshof nach Den Haag bringen können.
Sie gehörten 33 Jahre lang dem
deutschen Parlament an.
Wie stark wird der Bundestag derzeit von der Exekutive,
also im Wesentlichen von der Kanzlerin, ausgebremst?
Ist das Parlament zahnlos
geworden?
Willy Wimmer: Mit dem Umzug 1999 von Bonn nach
Berlin und
dem so genannten »schlanken Staat« sind Parlament und Ministerien
geradezu degeneriert. Ohne US-Anwaltskanzleien kommt fast kein
bedeutender
Gesetzentwurf zustande.
Musterbeispiel sind die gigantischen
Gesetzgebungsvorhaben
nach Lehman Brothers und der Finanzkrise und das
auf Englisch,
das niemand in Berlin versteht. Selbst im Indien der Kolonialzeit
gab es so etwas nicht. Der Bürger wird nur noch als Steuerzahler
und Konsument
wahrgenommen. Staatsbürger und »mehr
Demokratie wagen« aus der Zeit von
Willy Brandt sind vorbei.
Es ist ein Abgesang der parlamentarischen Demokratie
und
der Parlamentspräsident schweigt dröhnend dazu.
Seit unserem letzten Interview kamen
zum Flüchtlingsstrom
noch die Terroranschläge des IS in Paris und Mali hinzu,
auch
offenbar ein vereitelter Anschlag in Hannover.
Es gibt Hinweise, dass
Deutschland und Großbritannien
ebenfalls Ziele des IS sind. Wie real ist diese
Gefahr
Ihrer Einschätzung nach?
Willy Wimmer: Es kommt nicht auf meine
Einschätzung an,
obwohl ich dazu eine Meinung habe. Die Sicherheitsbehörden
schlagen doch Alarm und der gesunde Menschenverstand sagt
uns, dass wir ins
unbeherrschbare Chaos laufen.
Bei Hunderttausenden, die sich in unser Land
geschlichen haben,
muss niemand etwas vermuten. Nach den heutigen Entwicklungen
kann man gewiss sein, das sagen uns der Verstand und die
Erfahrung.
Sie haben kritisiert, dass die
Bundeskanzlerin die
verfassungsmäßigen Vorkehrungen, die es bei uns
gibt,
systematisch außer Kraft setzt. Geändert hat
sich daran nichts. Angela Merkel
hält unbeirrt Kurs.
Was sagt das über unser politisches System?
Willy Wimmer: Das Urteil fällt verheerend aus und
es wird in
einer Systemkrise und tiefer Agonie oder der Aufgabe unseres
Staatsverständnisses enden. Wir bemühen uns, im Gegensatz
zu all unseren
Nachbarn, in dem EU-Europa aufzugehen, und
landen damit in den Fängen von TTIP
und damit der Aufgabe
unseres politischen Systems.
Wie wenig das die Regierung und die
deutsche Öffentlichkeit
derzeit schert, das haben wir bei der verhängnisvollen
Entscheidung
zur Beteiligung am derzeitigen Regionalkrieg in Syrien gesehen. Es
gibt kein UN-Mandat für die deutsche Beteiligung an diesem Krieg.
Damit
gibt es keine Legitimation für uns. Damit untergraben wir
das Gewaltmonopol der
Vereinten Nationen und beteiligen uns
an der amerikanischen Zerschlagung der
einzigen Organisation,
die dem Weltfrieden als Konsequenz aus den Weltkriegen
dient.
Ohne Mandat der UN sind wir
in den NATO-Geburtstagskrieg
gegen Jugoslawien gegangen. 2014 hat der
damalige Bundeskanzler
Gerhard Schröder freimütig die Verletzung des
Völkerrechts durch
ihn selbst gestanden. Konsequenz heute durch Frau Dr. Merkel:
keine. Wir fördern nicht das Völkerrecht, sondern das Faustrecht
des
vermeintlich Stärkeren.
Was sagt dieser Befund über den
Zustand der CDU
als führende Partei in der Großen Koalition aus?
Willy Wimmer: Alle Parteien, auch die CDU, haben
sich verändert
und sind zu weitgehend leeren Hüllen verkommen. Sie achten nicht
auf das, was die Staatsbürger sagen, weil sie ihnen nicht zuhören.
Man ist in
die eigene Karriere verliebt. In der CDU regiert seit
Jahren der »demokratische
Zentralismus« und es wird von
oben nach unten »durchbestimmt«.
Die CDU wird von den Wählern laut
einer neuen Umfrage
erstmals links der politischen Mitte verortet. Die
Kanzlerin
regiert mit grünen Positionen wie bei der Energiewende
oder in der
Flüchtlingspolitik. Was verheißt das für die
Zukunft der CDU, wenn Millionen
konservative Wähler
rechts heimatlos werden?
Willy Wimmer: Das werden die kommenden Wahlen
deutlich
zeigen. Wenn die CDU sich so ignorant gegenüber den deutschen
Bürgern
verhält, wie es die politische Klasse in Frankreich geschafft
hat, dann blüht
uns was. Es gibt auf keiner Ebene der CDU mehr
eine ernsthafte
Auseinandersetzung über die Zukunft des Landes.
Die Frau Bundeskanzlerin
verhält sich auch als Parteivorsitzende
wie eine »Bundes-Zarin«. Warum soll das
gut gehen?
In drei Monaten findet die Landtagswahl in Baden-Württemberg
statt. Wenn vorher
ein Wechsel im Kanzleramt gelingen soll,
dann wird die Zeit jetzt ziemlich
knapp. Es ist aber sehr ruhig,
wir hören nichts. Selbst aus München kommen
aktuell
weniger kritische Töne?
Willy Wimmer: Wenn man genau hinhört, dann ist
gewaltig
Druck im Kessel. Die CDU hat zwei Chancen: Entweder sie zieht
die
Reißleine in diesem Jahr und Frau Dr. Merkel tritt zurück,
oder sie verfällt in
Agonie und zieht das Land mit.
Was erwarten Sie beim CDU-Parteitag,
der am kommenden
Sonntag in Karlsruhe beginnt? Gibt es eine Rebellion gegen
Angela Merkel? Kommen wenigstens neue Weichenstellungen
in der
Flüchtlingspolitik?
Willy Wimmer: Das Land hält den Spagat zwischen
der Haltung
der Bundeskanzlerin und den Bemühungen anderer, das Land
nicht
untergehen zu lassen, nicht aus. Offensichtlich herrschen
in den
Führungsstrukturen der CDU autistische Anwandlungen.
Dafür wird man einen Preis
bezahlen müssen und das dürfte an
die Existenz der CDU gehen. Wir haben nur 15
Jahre vom
»Ehrenbürger Europa« zur heutigen Entwicklung benötigt,
bei der
Europa und unser Land auf der Strecke bleiben,
weil die CDU an den Aufgaben
scheitert.
Wir hören in der Redaktion, dass
sich die Kommunen
(zumindest in Baden-Württemberg) darauf einstellen
sollen,
Flüchtlinge und Wirtschaftsmigranten im Umfang
von zehn Prozent der jeweils
lokalen Bevölkerung
aufzunehmen. Stimmt das nach Ihren Informationen?
Willy Wimmer: Ob es zehn oder 20 Prozent sein
werden,
kann niemand sagen, weil man es durchgehen lässt, dass
die
Bundeskanzlerin nicht ihre Politik erklärt und im »Volkskammer-
Stil« das
Parlament auskurvt. Dr. Peter Gauweiler hat auf diese
verheerende Konsequenz
den Bundestagspräsidenten öffentlich
hingewiesen. Frau Dr. Merkel ist für ihre
Politik in der Migrationsfrage
nicht legitimiert. Wo sind eigentlich der
Generalbundesanwalt,
der Bundespräsident und das Bundesverfassungsgericht?
Wie gefährlich ist die Situation in
Syrien und dem Irak,
nachdem Herr Erdoğan in der Türkei seine gezielten
Provokationen gegen Russland nicht einstellen
will?
Willy Wimmer: Wir haben die Wahl zwischen
Weltkrieg und Erfolg
der russischen Politik und einer Verhandlungslösung. Wenn
Russland
auf der Seite der legitimen Regierung nicht interveniert haben würde,
wären zwangsläufig durch die vorgenannten Fördermächte des IS
Syrien und wohl
auch weite Teile des Irak dem Erdboden gleich
gemacht worden – und als Staat
ausgelöscht. An dieser Neuordnung
arbeiten im Nahen Osten viele, wie
amerikanische und israelische Sandkastenspiele mit den Grenzen zeigen.
Türkische Truppen marschieren im Nordirak ein, der Sohn
von
Erdoğan handelt mit dem Öl des Islamischen Staates.
Und jetzt kommen Forderungen wie
von Günther Oettinger,
die Türkei solle der EU beitreten. Wie ist das zu
bewerten?
Willy Wimmer: Herr Oettinger ist doch der, der
statt der
deutschen Sprache Englisch in Deutschland für alle als Sprache
einführen wollte? Die Verhandlungen mit dem Staat, der seit
Jahrzehnten seine
Bevölkerungsprobleme auf dem Rücken
Deutschlands zu lösen versucht, sind
Ausdruck der in Berlin
und Brüssel herrschenden Hilf- und Konzeptionslosigkeit.
Die Kurden sind durch die Türkei
schon aus ihrer Heimat
nach Izmir, Stuttgart und Köln verdrängt worden.
Herr
Oettinger und diejenigen, die die Türkei jetzt unter
erpresserischen Umständen
in die EU holen wollen, spielen
bei klarem Verstand mit dem Feuer und dem Krieg
in
Europa und damit Deutschland.
Vielen Dank, Herr Wimmer.
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Quelle: http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/deutschland/
redaktion/willy-wimmer-das-duerfte-an-die-existenz-der-
cdu-gehen-.html
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