29. August 2015

Regierung im Blindflug


von Willy Wimmer

Jetzt gibt es also wieder »Protokollstrecken«. 
Anders kann man die Besuche und ihre Abfolge 
aus der Staats-und Regierungsspitze in Duisburg-
Marxloh, Heidenau und Wilmersdorf nicht bezeichnen. 
Fein ausgesuchte Volksrepräsentanten, vermutlich 
vorformulierte Ansichten, gesäuberte Straßen, 
Bereitschaftspolizei die Menge. So fährt man in 
ein Aufstandsgebiet. Im Übrigen kennt man diese 
Protokollstrecken noch von Erich. So weit ist es 
gekommen. 

Wie schlimm es um die Regierung steht, das offenbart 
sich in der Sprache. Da klingt es nur so auf dem Niveau 
derjenigen, von denen man sich aus gutem Grund absetzen 
muss. »Mob«, »Pack« und so weiter. Um es deutlich zu 
sagen: So etwas gehört sich für eine Regierung nicht, 
die zudem weder an unseren Grenzen noch auf unseren 
Straßen den eigenen staatlichen Gesetzen Geltung 
verschaffen kann.

Der britische Premierminister Cameron, Ministerpräsident 
Orbán in Budapest oder die dänische Regierung geben ein 
anderes Bild ab. Unser Bundesinnenminister vergnügt sich 
beim Aachener Reitturnier, während seine Bundespolizisten 
und andere nicht mehr wissen, wo ihnen der Kopf steht.

Die Unfähigkeit, eine der Lage entsprechende 
Vorgehensweise seitens staatlicher Einrichtungen 
sicherzustellen, zeigt sich in den ermunternden 
Anrufen durch den amerikanischen Präsidenten 
Obama.

Nichts darüber verlautet, dass man sich die amerikanische 
Kriegspolitik verbittet, die eine wesentliche – wenn nicht 
zentrale – Ursache für die derzeitigen Verwerfungen auf 
dem Globus und bei uns ist.  

Wo hört man seitens der deutschen Regierung die 
Forderung nach einem ständigen Gerichtshof gegen 
die Regierung der Vereinigten Staaten beim 
Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag 
wegen permanenter völkerrechtswidriger 
Kriegseinsätze und endloser Kriegsverbrechen?

Unter diesen Umständen muss man schon jetzt einen
Schrecken bekommen, wenn durch das Bundespräsidialamt 
der Besuch des Herrn Bundespräsidenten in Washington im 
Oktober dieses Jahres verkündet wird. Er hat doch schon in 
Berlin gezeigt, wo er sich wohlfühlt, wenn er neben einem 
amerikanischen Präsidenten stehen darf?

Soll der Herr Bundespräsident in Kenntnis einer gegen 
den Weltfrieden gerichteten amerikanischen Politik seit 
gut 20 Jahren hier in Europa und unseren Nachbarregionen 
eine Form von »immerwährender Kapitulation« verkünden, 
um deutsches Schweigen zu amerikanischer Weltherrschaftspolitik 
und entsprechender Völkerrechtsbrüche und Kriegsverbrechen 
deutlich zu machen? Ist unser schönes Land wieder so »dunkel«?

Welches Bild wird mit diesem Besuch vermittelt, so wenige 
Tage nach dem 25. Jahrestag der Wiedervereinigung, 
zu der die heutige Russische Föderation so unglaublich 
viel beigetragen hat? Wohin uns diese Bundesregierung 
geführt hat, wird an diesem Bild besonders deutlich.

Wenn ihr daran gelegen gewesen sein sollte, den Geist 
und die Absichten der deutschen Wiedervereinigung 
und der Charta von Paris aus dem Jahr 1990 hochzuhalten, 
dann müssten wir in Deutschland zwischen Usedom und 
Immenstaad uns freuen. Freuen darauf, alle diejenigen 
zum 3. Oktober 2015 in Berlin willkommen heißen zu 
können, denen wir einen grandiosen Beitrag zum 
heutigen Deutschland verdanken können.

Stattdessen sind wir durch die deutsche und westliche 
Politik von einem gemeinsamen Haus Europa weiter 
entfernt denn je. Wenn am 1. September und damit
in wenigen Tagen in Deutschland an den Tag erinnert 
wird, an dem der Zweite Weltkrieg 1939 ausbrach, 
müssen wir doch eines sehen: Wegen der westlichen 
Politik, die sich beispielhaft auf dem Maidan-Platz in 
Kiew gegen Russland manifestiert hat, wissen wir 
nicht, ob wir im nächsten Jahr diesen Tag noch in 
Frieden begehen können.

Und die NATO-Presse, die bei der Schilderung der 
Migrationsbewegung das Maß an Mitmenschlichkeit 
glaubt wiedergefunden zu haben, das man vergeblich 
gesucht hat, als afghanische Hochzeitsgesellschaften 
durch NATO- Kollateraleinätze auseinander gebombt 
wurden, serbische Kinder an einer Brücke in Valjevo 
beim Spaziergang durch  NATO- Flugzeuge massakriert 
wurden oder vor laufender Kamera ein Staatschef 
umgebracht wurde, von dem man sich zuvor noch 
Wahlkämpfe finanzieren ließ?
__________________________________________

Quelle: http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/
deutschland/willy-wimmer/regierung-im-blindflug.html

Willy Wimmer (geb.1943) war 33 Jahre Abgeordneter der   
CDU im deutschen Bundestag, daneben hatte er verschiedene 
Ämter inne, u.a. als Parlamentarischer Staatssekretär des 
Bundesministers der Verteidigung und als Vizepräsident der 
Parlamentarischen Versammlung der KSZE/OSZE, wo er auf 
höchster staatlicher Ebene Gespräche rund um den Globus 
führte. Währen der völkerrechtswidrigen Kriege in Jugoslawien 
und im Irak erregte er durch pointierte öffentliche Stellungsnahmen 
größere Aufamerksamkeit, beons durch eine Verfassungsklage im 
Streitfall Afghanistan. (Klappentext aus dem sehr empfehlenswerten 
Buch von Wolfgang Effenberger und Willy Wimmer
„Wiederkehr der Hasardeure“, zeitgeist 2014)

Flüchtlingsströme von historischer Dimension – JJK: 

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