18. Juni 2015

Washington heizt Krieg in Europa an - F. William Engdahl


von F. William Engdahl
_________________________________________________________

Angesichts verschiedener Reden und Aktionen führender 
US-Vertreter muss man sich ernsthaft fragen: Ist Washington 
kollektiv verrückt geworden? Obwohl EU-Regierungen Schritte unternehmen, sich dem Druck aus Washington zu widersetzen 
und die verhängten Sanktionen zu lockern, scheint die Obama-
Regierung wild entschlossen, eine atomare Konfrontation mit 
Russland herbeizuführen. Wie sagt doch der alte griechische 
Satz: »Wen die Götter zerstören wollen, den schicken sie 
zunächst in den Wahnsinn…« Die folgenden Entwicklungen 
der jüngsten Zeit zeigen ein alarmierendes Muster. 

Am 5. Juni ließ Ashton Carter, Obamas neuer neokonservativer Verteidigungsminister, klar die Bereitschaft zu einer weit provokativeren 
Haltung gegenüber Russland erkennen als sein gefeuerter Amtsvorgänger 
Chuck Hagel. Carter bestellte zwei Dutzend führende US-Militärs und US-Botschafter in Europa zu einem Sondertreffen in der Zentrale des 
US European Command in Stuttgart ein, bei dem er erklärte: 
»Es gibt da etwas, das in jüngster Zeit eine bedauerliche 
Wende genommen hat, nämlich Russland.«

Das war an sich betrachtet nicht so alarmierend wie die Berichte, 
wonach »Ash« [zu Deutsch: Asche] – wie sein Spitzname treffend
lautet – bei dem Stuttgarter Treffen davon sprach, atomar bestückte Kurzstreckenraketen in europäische NATO-Länder zurückzubringen, 
wo sie gegen Russland gerichtet werden sollen.

Am 7. Juni, nur zwei Tage nach Carters Rede in Stuttgart, 
erklärte der britische Außenminister Philip Hammond vor der 
Presse, Großbritannien werde angesichts der, wie er sagte, 
»gestiegenen Spannungen« mit Russland möglicherweise wieder 
amerikanische Atomraketen auf britischem Boden stationieren. 
Es gebe »besorgniserregende Anzeichen« für die erhöhte Aktivität 
russischer Streitkräfte; Großbritannien werde »das Für und Wider 
einer Übernahme von US-Mittelstreckenwaffen abwägen«.

Die britische Zeitung Telegraph berichtete, Ashton Carter erwäge, 
einen aus der Zeit des Kalten Krieges stammenden Vertrag mit 
der damaligen Sowjetunion einseitig aufzukündigen und atomar 
bestückbare Raketen in Europa zu stationieren.

Was Großbritanniens Außenminister Hammond mit seiner Äußerung 
an den Tag legte, würde ein Psychologe wohl als paranoide 
Schizophrenie bezeichnen. Zunächst rührte er die Kriegstrommel, 
als er vollmundig erklärte: »Wir müssen ein klares Signal an Russland 
senden, dass wir ihnen nicht erlauben, unsere roten Linien zu 
überschreiten.« Der letzte NATO-Politiker, der so töricht von einer 
roten Linie sprach, war US-Präsident Barack Obama 2013 im Fall 
Syrien, und das hätte die USA damals beinahe in einen Flächenbrand 
im Nahen Osten gestürzt, der so gefährlich gewesen wäre, dass 
Obamas eigene Generäle mit Rücktritt drohten. Im nächsten 
Atemzug erklärte Hammond, der harte Hund, der von der 
neuerlichen Stationierung amerikanischer Mittelstrecken-
Atomraketen auf britischem Boden redet: »Gleichzeitig müssen 
wir uns darüber im Klaren sein, dass die Russen das Gefühl haben, 
umzingelt zu sein und unter Attacke zu stehen, und wir wollen nicht 
unnötig provozieren.«

Soll das heißen, dass Großbritannien nur »notwendig« provozieren
wird? Tatsächlich sind die westlichen Politiker intellektuell und 
moralisch in den letzten Jahrzehnten zur Lachnummer geworden. 
Weder Großbritannien noch Frankreich – beides NATO-Länder 
mit Atomwaffen – haben 1987 den INF-Vertrag unterzeichnet, 
wogegen Moskau seinerzeit vehementen Protest einlegte.
[»INF« steht für »Intermediate Range Nuclear Forces«, 
Nuklearwaffen mit mittlerer Reichweite.] 

Deutschland votiert für die amerikanische  
Pershing-II-Rakete 

1983 stimmte der Deutsche Bundestag dafür, die Stationierung 
amerikanischer Pershing-II-Mittelstreckenraketen auf deutschem 
Territorium zuzulassen. Gleichzeitig kündigte die Reagan-Regierung 
die Entwicklung eines Raketenabwehrsystems an, das später den 
Namen »Star Wars« erhielt. Beide Entscheidungen verschärften 
die militärischen Spannungen zwischen dem Warschauer Pakt und 
der NATO, bis sich die USA und die Sowjetunion im Dezember 1987 
auf die Unterzeichnung des INF-Vertrages einigten, der die Zerstörung 
aller Mittelstreckenwaffen auf beiden Seiten vorsah.

Das war bezeichnenderweise ein Jahr nachdem Washington und 
Saudi-Arabien absichtlich den Rohölpreis auf deutlich unter zehn 
Dollar für das Barrel gedrückt hatten. Es bedeutete damals einen 
schweren Schlag für das Dollar-Devisenbudget der Sowjetunion, 
das für den Kauf von Technologien gegen die drohenden Star 
Wars und andere Pläne der NATO gebraucht wurde.

Jetzt will Washington offenbar sagen – um den Baseball-Star 
Yogi Berra von den New York Yankees zu zitieren: 
»Es ist schon wieder so ein Déjà-vu.« Aber die Welt von 2015 
ist nicht mehr die von 1983 und die Russische Föderation, 
besonders in einer De-facto-Allianz mit China und anderen
Staaten, ist nicht die bankrotte Sowjetunion von 1983. 

Nimmt die NATO Kaliningrad ein? 

Anscheinend erwägt das Pentagon noch viel irrwitzigere Schritte 
als nur die Rückkehr atomarer Mittelstrecken nach Europa. Wie 
Hacker, die in das System der litauischen Streitkräfte eingedrungen 
sind, melden, macht sich das winzige baltische Land bereit,
die russische Region Kaliningrad zu annektieren. Es wirkt wie 
eine fantastische Neuauflage des satirischen Peter-Sellers-Films
Die Maus, die brüllte aus den 1950er Jahren, bei dem Litauen 
die Rolle des Herzogtums Groß Fenwick übernimmt und dieses 
Mal nicht den Vereinigten Staaten, sondern der Russischen 
Föderation den Krieg erklärt.

Kaliningrad ist heute ein russischer Verwaltungsbezirk (Oblast) mit 
etwa 960 000 ethnisch russischen Einwohnern. Er wurde 1945 Teil 
der Sowjetunion, als sich die amerikanische und die britische 
Regierung bei der Potsdamer Konferenz auf die Übergabe der 
Stadt Königsberg und des umgebenden Gebiets an die Sowjetunion 
einigten. Das Gebiet wurde anschließend in »Kaliningrad« umbenannt.

Durch die von Washington betriebene Osterweiterung der NATO 
nach dem Zusammenbruch des Warschauer Pakts liegt Kaliningrad 
heute zwischen den NATO-Ländern Polen und Litauen an der Ostsee. 
Als einziger das ganze Jahr über »eisfreier« russischer Ostseehafen 
ist es als Stützpunkt der russischen Ostseeflotte und Sitz dreier Luftwaffenstützpunkte von höchster strategischer Bedeutung.

Als die Bush-Regierung im Jahr 2007 im Rahmen der verstärkten 
Stationierung von Flugabwehrraketen die Stationierung amerikanischer 
Raketen in Polen und Litauen ankündigte, erreichten die Spannungen 
zwischen Moskau und Washington einen kritischen Punkt. Russland 
drohte mit der Stationierung von Atomwaffen in Kaliningrad – eine 
Drohung, die 2009 als Reaktion auf Obamas Täuschungsmanöver, 
den so genannten »Reset«, fallengelassen wurde. Würde die NATO 
heute mit Litauen als ihrem Stellvertreter Kaliningrad einnehmen, 
käme das der Erklärung eines Atomkriegs gegen Russland gleich.

Nach Angaben des litauischen Nachrichtenportals Delfi zeigen die 
gehackten Dokumente des litauischen Verteidigungsministeriums, 
dass laufende NATO-Manöver in der Region das Cover für einen Überraschungsangriff liefern würden. Gegenwärtig nehmen 2100 
Soldaten aus neun NATO-Mitgliedsländern, die der Very High 
Readiness Task Force (VJTF) angehören, an Militärmanövern 
im Nordwesten Polens teil. Noch in diesem Monat wird die NATO 
ihr Manöver »Allied Shield« mit 15 000 Soldaten aus 19 NATO- 
Mitgliedsländern und drei Partnerländern, darunter Schweden, 
ebenfalls in Estland, Lettland, Litauen und Polen abhalten. 

Wer verstößt gegen den INF-Vertrag? 

Moskau wirft Washington vor, mit der Stationierung von 
Raketenabschussbasen in Polen und Rumänien, von denen 
aus Tomahawk-Atomraketen auf Ziele in Russland und 
Weißrussland gerichtet werden können, gegen den INF-
Vertrag von 1987 zu verstoßen.

Um die offene Verletzung des INF-Vertrages zu vertuschen, 
behauptet Ash Carter, die Obama-Regierung »vermute«, 
dass Russland bodengestützte Marschflugkörper getestet habe, 
die laut INF-Vertrag nicht erlaubt sind. Raketentests sind aber, 
sofern der Vorwurf – für den Washington keine Beweise vorbringt – 
zutrifft, etwas ganz anderes als die Stationierung atomwaffenfähiger 
Raketen in Polen und Rumänien und die Planung einer NATO-Invasion 
in eine der wichtigsten militärischen Enklaven Russlands, nämlich 
Kaliningrad.

Die angeblichen Verstöße gegen den INF-Vertrag, die Washington 
als Vorwurf nutzt, um wieder gegen russische Ziele gerichtete Mittelstreckenraketen in Europa zu stationieren, sollen laut 
Berichten der New York Times 2008 begangen worden sein. 
Aber erst 2013, unmittelbar vor dem Start der Demonstrationen 
auf dem Maidan-Platz, die zu Washingtons Putsch in der Ukraine 
führten, machte das US-Außenministerium publik, dass es eine 
solche Verletzung des Vertrags gegeben haben könnte. Und 
erst im Juli 2014 schrieb US-Präsident Obama laut New York Times 
einen Brief an Präsident Putin, in dem er Russland beschuldigte,
gegen die 2008 vereinbarte Einstellung der Tests zu verstoßen.

Dass der Brief im Juli 2014 bekannt wurde, passt zu der Dämonisierung Russlands durch die Obama-Regierung. Der NATO Supreme Commander, US-General Philip M. Breedlove, erklärte im April 2014, der angebliche 
russische »Verstoß« verlange eine Antwort. »Eine Waffenfähigkeit, 
die gegen den INF-Vertrag verstößt und auf der europäischen 
Landmasse eingeführt wird, ist ein Problem, mit dem wir uns 
auseinandersetzen müssen. Es darf nicht unbeantwortet 
hingenommen werden.«

Kein Wunder, dass russische Analysten Washington vorwerfen, 
ein Propaganda-Sperrfeuer loszulassen, bei der Russland 
Vertragsverletzungen vorgeworfen werden, um die Rückkehr
ihrer gegen Russland und China gerichteten Atomraketen in 
europäische NATO-Länder und nach Asien zu rechtfertigen.

Verrückte Hitzköpfe in Washington, London und 
anderswo in der NATO spielen buchstäblich ein 
atomares »Chicken-Game«. 
Sind die Polen, Litauer, Deutschen und Briten so 
dumm, dass sie die Konsequenzen des Spiels von 
Washington und NATO nicht erkennen? 
Oder sind sie so selbstmörderisch veranlagt?  

Schließlich würden sie, und nicht die USA, zum atomaren 
Trümmerfeld. Genauso wie die deutsche Wirtschaft und 
die Wirtschaft anderer EU-Länder massiv unter den von 
den USA gegen Russland verhängten Sanktionen gelitten 
hat.

Wie lächerlich ist das alles! Brüllende Mäuse kriechen aus den Rissen 
der ehrwürdigen Gebäude in Washington, London und Vilnius, piepsen 
und tanzen wie wild herum. Dieser Tage ist in Washington wieder 
einmal alles so verrückt wie in der legendären Comicserie Looney Tunes. 
Aber die alten Comicfiguren Daffy Duck, Schweinchen Dick, Elmer Fudd, 
Tweety Bird und Sylvester the Cat schlugen sich besser als diese Typen.

Quelle: 
http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/geostrategie/f-william-engdahl/washington-heizt-krieg-in-europa-an.html
____________________________________________________________

F. William Engdahl ist Politik- und Wirtschaftwissenschaftler 
und Bestsellerautor. Eine Zusammenstellung seiner Beiträge ist im Intert einsehbar unter www.engdahl.oilgeopolitics.net


Militärparade in Moskau: »Warum ich dabei geweint habe« – 
F.William Engdahl: 
 
Das Lichtweltportal ist frei von Werbung und verzichtet 
auf jede direkte externe Verlinkung, um die Klarheit der 
Hompage und reine Schwingung der Beiträge zu 
gewährleisten. Der Lichtweltverlag und der Autor 
führen über alle auf dieser Webseite veröffentlichten 
Inhalte ausnahmslos keinerlei Korrespondenz.
Einzelne Hervorhebungen in diesem Beitrag von JJK.